Aus Liebe zum Handwerk

JOSEPHA JEWELLER. Schmuckdesignerin Josepha Raho fertigt ­ in ihrem Atelier in Wien-Penzing (Linzer ­Straße 403) ausschließlich Einzelstücke. josephajeweller.com

In ihrem Atelier am Wiener Stadtrand erfüllt sich Josepha Raho ihren beruflichen Lebenstraum. Auf dem zweiten Bildungsweg überwindet sie Vorurteile und formt als Goldschmiedin Emotionen zu schmucken Einzelstücken.

Wenn sich Josepha Raho hochkonzentriert über ihre hauchzarten Gold- oder Silberteile beugt, werken nicht nur ihre geschickten Hände. Auch ihre Gedanken sind voll auf das vor ihr liegende Schmuckstück fokussiert: „Ich habe immer eine konkrete Person vor Augen und stelle mir vor, bei welcher Gelegenheit sie den Ring, den Armreif, die Kette oder die Ohrringe tragen würde.“ Und das, sagt die Gold- und Silberschmiedin, ist – neben ihren handwerklichen Fähigkeiten – natürlich einer der wesentlichen Vorteile ihrer Einzelstücke gegenüber massenhaft gefertigtem Modeschmuck und auch gegenüber edlen Preziosen aus dem 3D-Drucker. „Keine Maschine macht sich jemals Gedanken über ihren Kunden, keine Maschine kann Emotionen in ihre Arbeit legen.

UMWEG ÜBER ARGENTINIEN
Die heute 40-jährige Wienerin konnte sich ihren Traum vom Handwerk erst spät erfüllen. „Ich wollte schon nach der Unterstufe Goldschmiedin werden, habe aber keinen Ausbildungsplatz gefunden. An eine Absage kann ich mich besonders gut erinnern: Eine Lehre kostet den Meister eine Million Schilling – und dann wird das Mädel eh mit 16 schwanger …

Und so ging Josepha Raho, die als Tochter eines Engländers und einer Österreicherin zweisprachig aufgewachsen ist, nicht nur zeitlich weite Wege, um ihr Ziel zu erreichen: „Als mein Mann in Argentinien an seiner Magisterarbeit gearbeitet hat, bin ich mit ihm mitgegangen und habe eine Ausbildung an der ‚Complejo Educativo de JoyerÍa‘ in Buenos Aires gemacht.“ Danach hat sie auf dem zweiten Bildungsweg die Facharbeiterprüfung an der Wiener Goldschmiede-Akademie abgeschlossen: „Mein großes Ziel ist jetzt, auch noch die Meisterprüfung abzulegen.

ROCK ’N’ ROLL, BABY!
Vor der Geburt ihrer beiden Buben war die diplomierte Mittelschulpädagogin in der Musikbranche tätig und arbeitete mit Stars wie Bon Jovi, Bryan Adams, Metallica und DJ Ötzi zusammen. „Als Promotion-Manager weißt du nie, warum ein Lied zum Hit wird. Ist es allein die Musik des Künstlers? Ist es, weil du eine Kooperation mit einem wichtigen Partner eingefädelt hast? Heute weiß ich: Wenn ein Objekt schön geworden ist, dann deshalb, weil ich es mit meinen eigenen Händen produziert habe.“ Dazu kommt das schöne Gefühl, am Ende des Tages tatsächlich etwas geschaffen zu haben. Und zwar etwas Eigenständiges, Neues – und vor allem etwas Greifbares. „Ich wollte kreativ sein und selbst etwas herstellen. Es ist für mich sehr wichtig, das Produkt meiner eigenen Arbeit berühren zu können.“

GOLD IST GEDULDIG
Nach dem Lärm der hektischen Rock-’n’-Roll-Welt ist das sanfte Hämmern in ihrem Atelier in Wien-Penzing, das sich die Schmuckkünstlerin seit einem Jahr mit drei Architektinnen vom Büro MOOSA teilt, entspannende Musik in Josepha Rahos Ohren. Ihre edlen Werkstoffe, sagt sie, strahlen selbst jede Menge Energie aus: „Von Gold geht aber auch eine große Ruhe aus. Gold ist ein geduldiges Material. Und es ist sehr strapazierfähig. Du kannst es hämmern, walzen, glühen – und in jede Form bringen, die dir deine Phantasie erlaubt.“ Covid-19, der spürbare Klimawandel und dazu noch der aktuelle Krieg in der Ukraine lassen sie noch intensiver über ihre Arbeit nachdenken: „Während der ersten beiden Pandemie-Jahre konnte ich weniger arbeiten als normal. Dafür ist die Wertschätzung jetzt noch größer. Jedes Stück, das ich herstelle, bedeutet mir sehr viel.“ Jedes Stück, das ihr Atelier verlässt, ist mit einer großen Portion Leidenschaft aufgeladen. „Schmuck hat so viel mit Liebe zu tun!“ Und zwar nicht nur für sie als Produzentin, sondern natürlich auch für ihre Kundinnen und Kunden: „Vielleicht beschenkst du dich selbst – als Zeichen deiner eigenen Wertschätzung. Oder du beschenkst einen Menschen, der dir sehr viel bedeutet. Aber jedes Stück hat nicht nur seine eigene Geschichte, sondern erinnert seinen Träger an einen ganz besonderen Moment.


Text: Hannes Kropik
Fotos: Stefan Diesner

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