
Zuerst war die Sehnsucht nach Afrika, dann entdeckte sie die Schimpansen und nun will sie den ganzen Planeten retten. Die 88-jährige Jane Goodall wird nicht müde, Hoffnung zu verbreiten.
Diese Frau hat Humor, Herz und ganz viel Hoffnung. Obwohl oder gerade weil sie schon weit gereist ist und die Natur in ihrer Schönheit, aber auch ihrer ganzen Verletzlichkeit erlebt hat. Begonnen hat alles mit ihrer Liebe zum afrikanischen Kontinent und ihrer ersten Reise im Alter von 23 Jahren nach Kenia. Die Faszination für dieses Land hat sie immer tiefer in den Dschungel von Tansania geführt, wo sie lernte, Schimpansen zu beobachten und zu verstehen. So wurde sie mit der Zeit zu einer der berühmtesten Primatenforscherinnen weltweit.
Affenlaute in Ottakring
Doch ihre abenteuerliche Reise nimmt kein Ende, sie hat eine Mission und reist noch immer quer durch die Welt, hält Vorträge und motiviert die Jugend mit der von ihr gegründeten Organisation „roots & shoots“, einen Beitrag für unseren Planeten zu leisten. Ihre erste Vortragsreise nach längerer pandemischer Pause führte sie heuer gleich nach Wien. „Tarzan hat die falsche Jane geheiratet“, witzelt die zarte Jane Goodall auf der Bühne und erzählt uns von ihren persönlichen Gründen für Hoffnung, trotz globaler Klimakrise. Danach lässt sie einen durchdringenden Affenbrüller los, der nicht nur im Publikum zu hören ist, sondern weit hinaus in die Welt getragen wird und hoffentlich niemals verhallt. Bei einem Zoom-Interview treffe ich sie wieder, diesmal sitzt sie in ihrem Haus in Südengland. Während sie meinen Fragen aufmerksam lauscht, hält sie die Augen geschlossen und fühlt sich in ihr Vis-à-vis hinein, um auch wirklich alles zu verstehen. So wie sie es wahrscheinlich auch bei den Schimpansen immer gemacht hat.
Sie Sind ein großes Vorbild und geben uns trotz dramatischen Zukunftsaussichten viel Hoffnung. Wie können Sie so positiv bleiben?
Jane Goodall: Ohne Hoffnung können wir gleich aufgeben. Wenn wir nicht mehr daran glauben, etwas verändern zu können, haben wir verloren. Ich persönlich habe fünf Gründe für Hoffnung: Unser Intellekt, der schon großartige Ideen und Technologien entwickelt hat, wie zum Beispiel Permakultur und Solarenergie. Zweitens die Resilienz der Natur mit der Fähigkeit, ihre Wunden zu heilen. Drittens unsere Jugend und ihre Energie, ihr Enthusiasmus und ihre Commitments, sich für unseren Planeten einzusetzen. Und die unerschütterliche Natur des menschlichen Geistes, der Unmögliches leistet und nicht aufgibt. Denken Sie nur an ikonische Figuren wie Nelson Mandela. In den letzten Jahren ist noch mein fünfter Grund für Hoffnung dazugekommen: die Kraft von Social Media. Beim letzten Klima-Marsch in New York wurden 100.000 Leute erwartet. Dank Facebook, Twitter und Co waren es dann an die 400.000!
Sie kämpfen seit Jahren für die Erhaltung unseres Planeten. Wie wird unsere Zukunft auf ihm aussehen?
Das hängt ganz davon ab, was wir jetzt für Taten setzen. Ich arbeite so hart ich kann, damit alle verstehen, wenn wir jetzt nicht gemeinsam etwas unternehmen, wird es bald gar keinen Menschen mehr auf diesem Planeten geben. Jede/r kann etwas bewirken. Es ist vielleicht ein schwieriger Weg mit vielen Hindernissen, aber am Ende ist Licht. Und indem wir diesen Weg gehen, müssen wir möglichst viele Menschen mitnehmen und inspirieren. Das ist meine Aufgabe.
Was kann jeder von uns tun?
Jeden einzelnen Tag haben wir Impact mit unseren Entscheidungen. Wir entscheiden, welche Produkte wir kaufen, ob wir Fleisch essen, ob wir den öffentlichen Verkehr nutzen, wir können mit unserem Konsum Druck ausüben und wir können unsere Vorstellung von Erfolg hinterfragen. Warum sind es immer noch Geld und Macht, die damit zusammenhängen?
Sie sind voller Elan und Tatendrang. Wie laden Sie Ihre Batterien wieder?
Seit 1970 hatte ich keinen Urlaub mehr und seit 2,5 Jahren sitze ich jeden Tag am Schreibtisch ohne einen Tag Pause und halte bis zu vier Zoom-Meetings oder Konferenzen täglich. Ich muss das machen, ich bin schon 88 und meine Zeit wird immer kürzer – aber ich habe eine Mission. Wir müssen jetzt handeln. Ich sorge mich um den Planeten und meine Enkelkinder. Auf meinen Reisen erlebe ich auch wundervolle Tage mitten im Regenwald, Gott sei Dank sind es nicht nur immer Vorträge. Ich treffe bewundernswerte Menschen, sehe großartige Projekte, das inspiriert. Genauso aber meine Lesungen mit 10.000 Menschen, die mir applaudieren. Auch das stärkt, man bekommt alles zurück.
Haben Sie selbst auch ein Vorbild?
Ich kenne niemanden, der mehr Lebensfreude hat als Chris Koch. Er lebt von Geburt an ohne Arme und Beine und fährt mit dem Skateboard bei Marathons. Er feiert das Leben!


Text: Heidrun Henke