
Rum ist – wie Gin und Whisky – seit Jahren auf dem Vormarsch und erfreut sich bei Genießern wie Sammlern steigender Beliebtheit. Im Gegensatz zu anderen Destillaten hat Rum aber eine interessante Geschichte, die eng mit der Schifffahrt verbunden ist.
Rum, den gibt es auf der ganzen Welt, und er wird mittlerweile auch praktisch überall hergestellt. Aber Rum ist nicht gleich Rum, ganz speziell der in Österreich geläufige, bis zu 80 % Alkoholgehalt starke Inländer-Rum. Denn der ist eigentlich nur neutraler Alkohol, der mit Aromen und Farbstoff versetzt wurde. Nichtsdestotrotz hat sich diese Spezialität aufgrund diverser EU-Regelungen den Rang einer geschützten österreichischen Spezialität gesichert, allerdings mit der seit 1999 bestehenden Auflage, dass der Basis-Alkohol aus der Zuckerrohrverarbeitung stammt. Und hier schließt sich auch wieder der Kreis zu den Ursprüngen des „echten“ Rums und seines abenteuerlichen Siegeszuges um die Welt.
Von der Melasse zur Masse
Die Ursprünge der Rumproduktion werden auf Barbados oder Kuba vermutet, wo im 17. Jahrhundert die Zuckerrohr-Industrie boomte. Produktionsbedingt fällt bei der Herstellung von einem Kilo Rohrzucker rund ein halbes Kilo Melasse an, eine dickflüssige und klebrige Masse, die noch einiges an Restzucker enthält. Lange wusste man nichts damit anzufangen – bis man dieses Abfallprodukt als Maische fermentierte und dann destillierte. Blitzartig fanden die Menschen Gefallen an dem günstig herzustellenden und wohlschmeckenden, aber kräftigen Getränk. Der Name leitet sich vom englischen Wort „rumbullion“ (in etwa „Radau“) ab, welches der britische Gouverneur auf Jamaika um 1650 verwendete. Schnell boomte die Produktion des schon bald auf „Rum“ abgekürzten Alkohols, die älteste urkundlich erfasste Brennerei datiert auf das Jahr 1703. Schon zu der Zeit wurden allein auf Barbados jährlich rund 4 Millionen Liter produziert, von denen aber kaum ein Tropfen die Region in der Karibik verließ. Erst mit deutlich steigender Qualität und Produktionsmenge konnte sich Rum als Exportartikel etablieren, hauptsächlich Richtung England und seine nordamerikanischen Kolonien.
Von den Freibeutern zur Marine
Dies geschah klarerweise auf dem Seeweg, und zwar in großen Holzfässern. Dabei stellte man nebenbei fest, dass das ursprünglich meistens jung und klar konsumierte Destillat durch einen längeren Aufenthalt im Holz nicht nur eine angenehme Farbe, sondern auch deutlich komplexere und angenehmere Aromen entwickelte. Jene Rumfässer wiederum zählten zu besonders begehrter Beute von Piraten wie dem legendären Blackbeard, der dem Vernehmen nach ein besonders durstiger Konsument war. Vor allem aber hatte Rum eine wichtige Eigenschaft: Er konnte nicht verderben. Denn Seeleute der Royal Navy hatten damals Anspruch auf eine Gallone Bier pro Tag und Kopf. Das war in den kühlen heimischen Gewässern kein Problem, die Mitnahme von Bier über Wochen und Monate in heiße Gefilde jedoch war unmöglich. Ursprünglich noch durch Wein und Brandy ersetzt, konnte sich nach der Expansion in die Karibik Rum als bevorzugtes Getränk an Bord durchsetzen und wurde per Dekret als offizielle Bordverpflegung festgelegt. Die ehemals rund vier Liter Bier pro Tag verdichteten sich so zu einem täglichen Half Pint (284 ml) Rum. Verdichtet aber leider in jedem Sinn, der wenig überraschenden häufigen Trunkenheit an Bord versuchte man anfangs durch Verdünnung mit Wasser und Aufteilung auf zwei Ausgaben Herr zu werden. Über die Jahrzehnte wurden die Anforderungen an das Personal zur See immer schwieriger und daher die Rationen immer kleiner, bis es am 31. Juli 1970 zum völligen Ende der Tradition kam. Der „Black Tot Day“ markierte den Tag der letzten Rumausgabe in der britischen Navy. Andere Marineverbände (auch die österreichischen) hatten ähnliche Regelungen, die aber ebenso früher oder später aufgelassen wurden. Am 28. Februar 1990 schließlich beendete auch Neuseeland als letzte Kriegsmarine der Welt diesen Brauch.
Navy Rum heute
Neben den aktuellen unzähligen Rumsorten und -marken findet man auch heute noch einige Abfüllungen, die sich „Navy Rum“ nennen. Doch wodurch unterscheidet sich beispielsweise „Pusser’s Navy Rum“ von „Havanna Club“? Nun, es gibt keine exakten Regeln, aber historisch gewachsen ist die Tatsache, dass Navy Rum ein außerhalb der Karibik verschnittener Rum aus mindestens zwei verschiedenen Rums von ehemals britischen Kolonien wie Barbados, Jamaica, Guyana oder Trinidad ist. Darüber hinaus existiert auch noch der Begriff „Navy Strength“, oft auch schneidig „Gunpowder Strength“ genannt; dies bezieht sich auf den Alkoholgehalt von mindestens 57,15 %. Der leitet sich aus der Regelung her, dass Schießpulver auch dann noch zünden muss, wenn es durch Rum feucht wird – ab dieser Stärke ist das gewährleistet. Beim Begriff „Navy Style“ wiederum werden nautische Trinker unruhig: Diese erfüllen zwar die Herkunfts- und Herstellungsvorgaben, weisen aber weniger als die nötigen 57,15 % Alkohol auf und sind daher in den Augen der Puristen kein richtiger Navy Rum. Schmecken tun sie aber alle!

Text: Markus Höller
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