
Sein Opa war der letzte Hornkammmachermeister Österreichs. Heute haucht Thomas Petz einem ausgestorbenen Handwerk neues Leben ein und verwandelt Abfälle in schmucke Unikate.
„Die dünnsten Rinder haben oft die dicksten Hörner„, sagt Thomas Petz. Was wie ein skurriles Sprichwort klingt, ist in Wahrheit die Erfahrung eines Mannes, der in sechster Generation tatsächlich mit Ochsenhörnern arbeitet – und daraus nicht nur traditionelle Kämme, sondern auch Sonnenbrillen, Schmuck und originelle Gebrauchsgegenstände fertigt.
2008 hat er beschlossen, die Manufaktur von Opa Friedrich wiederzubeleben, nachdem der Vater die Familiengeschichte unterbrochen hatte und lieber Zahnarzt wurde. Seit 1862 war hier in diesem Hinterhof im 15. Wiener Gemeindebezirk, wenige Gehminuten vom Schloss Schönbrunn entfernt, ein Handwerk ausgeübt worden, das nach und nach von modernen Materialien vom Markt verdrängt wurde: „Man kann sich eine Welt ohne Plastik ja gar nicht mehr vorstellen“, sagt der 36-jährige Wiener. „Aber Horn ist – wie Holz – ein ganz ursprüngliches Material. Früher war es allgegenwärtig.“
„Ist der eh vegan?“
Thomas Petz verarbeitet in seiner Manufaktur mit fünf Teilzeit-Mitarbeitern rund drei Tonnen Horn pro Jahr; es stammt in erster Linie von afrikanischen Ochsen und ist „ein Abfallprodukt der Fleischindustrie – anders als Elfenbein, für das Elefanten sinnlos gejagt und getötet werden. Was wir hier machen, ist nachhaltiges Upcycling“.
Seit 2021 betreibt er neben dem Store in der Grazer Altstadt ein weiteres Geschäft in Wien-Neubau. Also mitten in einem der veganen Hotspots der Bundeshauptstadt. „Wir hatten noch keine Probleme mit Tieraktivisten“, sagt der Handwerker und kann sich das Schmunzeln über eine Anekdote nicht verkneifen: „Eine Kundin, die sich nach langem Prüfen für einen schönen Kamm entschieden hat, fragt vor dem Bezahlen: ‚Ist der eh vegan?‘ Nachdem ihr meine Verkäuferin erklärte, dass Hörner prinzipiell von Tieren und in diesem Fall von einem Rind stammen, hat sie den Kamm schroff zurückgelegt und ist aus dem Geschäft gestürmt …“
Die Kraft des Horns
In alten Holzregalen lagern hunderte Hornplatten, sie schillern in unterschiedlichsten, satten Brauntönen. Zuvor wurde das Horn – das bereits ohne Knochen von einem Großhändler in Deutschland angeliefert wird – aufgeschnitten, über offenem Feuer auf 140 Grad erhitzt und mit einem Druck von fünf Bar gepresst. Danach muss die Platte mindestens drei Monate trocknen, ehe sie weiterverarbeitet werden kann. Die Arbeit an der Fräse selbst ist laut, staubig (das abgeschliffene Hornmehl ist ein gefragter Naturdünger) und geruchsintensiv. „Aber vor allem ist es sehr faszinierend. Jedes Stück ist ein Unikat!“
Mit einem aktuellen Großprojekt zeigt Thomas Petz wieder einmal die erstaunliche optische und haptische Bandbreite seiner Arbeit. Für das neue Rosewood-Hotel am Wiener Petersplatz produziert er neben einer Serie exquisiter Schuhlöffel Dutzende flache Schalen, die jedes Zimmer zieren sollen. Die Farbpalette reicht von zart-hell über sattgold bis dunkelglänzend, Form und Stärke variieren leicht: „Das Horn hat eine eigene Kraft in sich, die einen nicht immer exakt das machen lässt, was man sich selbst vorstellt. Die Natur hat ihren eigenen Willen und arbeitet mit uns.“
Hornmanufaktur Petz
Neben dem Webshop gibt es einen Store in Graz (Murgasse 4)
und einen in der Westbahnstraße 7, 1070 Wien.
petz-hornmanufaktur.at

Unikate. Neben dem klassischen Kamm gibt es in den Stores auch Sonnenbrillen und Schmuck – so individuell wie jedes einzelne Horn.

Tradition. Eine Arbeit wie damals: „Die Basics der Hornverarbeitung hat mir noch mein Opa beigebracht.„


Text: Hannes Kropik
Fotos: Stefan Joham