Genuss aus Sand & Meer

Bauordnung. Auch ein millionenschweres Großprojekt wie der Lanserhof Sylt muss sich streng an das Ortsbild halten, daher auch hier: Reetdach. | © Ingenhoven Architects

Den Weltmeeren droht Überfischung, auch die wildromantische Nordsee ist stark gefährdet. Doch auf den Friesischen Inseln, genauer gesagt auf Sylt, besinnt man sich auf Qualität und neue Wege – hier ist die Natur noch in Ordnung.

Die lang gezogene Insel in der deutschen Bucht ist nicht nur der nördlichste Flecken Deutschlands, sondern rückte dieses Jahr mit dem 9-Euro-Ticket unfreiwillig ins Spotlight. Dabei liegt den Syltern nichts ferner, als ein Ansturm an Touristen, hier bleibt man gerne unter sich. Oder heißt Stammgäste willkommen. Schon seit den 60er Jahren, als Promis und Stars wie Gunter Sachs oder Romy Schneider hier urlaubten, bekam die Insel schnell den Ruf eines verschnöselten Reichenghettos, mit der Ansiedelung von Superreichen wie Axel Springer wurde das auch für die Einheimischen zur teuren Gewissheit. Dabei wurde oft vergessen, dass auf Sylt nicht nur Champagner, sondern vor allem eine unvergleichliche und schützenswerte Biosphäre vorzufinden ist. Große Anstrengungen der letzten Jahrzehnte haben zumindest die Erosion der Küste und die Zerstörung der so wichtigen Dünen gestoppt.

Das Fischperium
Einer, der sich das alles schon sehr lange ansieht, ist die Sylter Legende -Jürgen Gosch. Der friesische Unternehmer hat schon als Jugendlicher mit einem Bauchladen Fisch verkauft, bis er sich in List niederließ und dort die „Nördlichste Fischbude Deutschlands“ eröffnete. Sukzessive vergrößerte Gosch sein Unternehmen mit Standorten zuerst auf Sylt, dann in ganz Deutschland. Der rüstige 81-Jährige ist auch heute noch täglich in seinem Hauptlokal in List anzutreffen und trotz aller Prominenz bescheiden geblieben – und die Sylter verehren ihren „Fischpapst“ von ganzem Herzen. Im persönlichen Gespräch auf sein Imperium angesprochen, winkt er ab und macht sich stattdessen Gedanken um Nachhaltigkeit: „Der hohe Bedarf an Energie muss eingeschränkt werden. Wir haben alle Grills auf energiesparende Modelle umgestellt. Auch was die Beleuchtung betrifft, versuchen wir so weit wie möglich zu reduzieren.“ Der Bedarf an Fisch und Meeresfrüchten für sein Unternehmen lässt sich natürlich nicht mehr nur vor Sylt aus dem Meer ziehen, das ist ihm klar. Daher ist er auch in ständigem Kontakt mit Meeresbiologen und immer auf dem neuesten Stand, was aktuelle Entwicklungen beim Umweltschutz und der Fischerei betrifft. Auf die Frage, wie sehr er selbst überhaupt noch auf Fisch steht, kommt eine klare Ansage: „Natürlich esse ich selbst häufig Fisch. Der ist gesund und schmeckt. Aber nur Meeresfisch, mein Favorit ist die Seezunge. Süßwasserfisch ist langweilig, der hat keinen Geschmack.

Spezialitäten auch an Land 
Abgesehen von Fisch und den Austern, die hier ebenfalls in eigenen Bänken gezüchtet werden, gibt es auf Sylt auch andere schmackhafte -Naturprodukte. So wird aus den Blüten der, auf den Dünen weitverbreiteten, Sylter Rosen Fruchtaufstrich und Sirup gemacht, Sternekoch Alexandro Pape gewinnt mit einem patentierten Verfahren direkt in List das einzige deutsche Meersalz. Als Nebenprodukt wird das gewonnene Süßwasser auch gleich zum Bierbrauen verwendet. Und nicht nur das: Seit kurzem wird hier auch Wein gekeltert, auf einer 7.000 Quadratmeter großen Fläche, die 54 Grad nördlicher Breite und

10 Meter über Seehöhe liegt, wächst Deutschlands nördlichster Wein der Rebsorte „Solaris“. Selbstverständlich gibt es auch weiterhin mehrere mit diversen Sternen und Hauben ausgezeichnete Lokale auf der Insel – wer sich mit dem Schlemmen etwas übernommen hat, kann auch gleich für eine Fastenkur im ganz neu eröffneten -Lanserhof Sylt einchecken. Dieses Gesundheitsresort der absoluten Luxusklasse mag zwar nicht für jede Geldbörse geeignet sein, von außen kann man sich als Normalverdiener zumindest am Anblick des größten zusammenhängenden Reet-Dachs in Europa erfreuen.

Aktivitäten vs. Ruhe
Die Lieblingsbeschäftigung der Sylter und ihrer Gäste ist eindeutig das Ausspannen in einem der über 12.000, auf der ganzen Insel verteilten, Strandkörbe. Das mag viel wirken, tatsächlich ist es bei über 60.000 Gästebetten und mehr als 4 Millionen Übernachtungen pro Jahr oft gar nicht so leicht, einen freien zu finden! Der Großteil der Besucher kommt mit dem Zug bzw. dem Autozug oder der Fähre an, es gibt keine direkte Straßenverbindung zum Festland. Alternativ kann man auch über den – erraten – nördlichsten Flughafen Deutschlands in Westerland anreisen. Sollte man untypischerweise was anderes vorhaben als bei Gosch & Co. zu schlemmen und dann am Strand einzunicken, gibt es ein breites Angebot an Aktivitäten: Touren mit E-Bikes, vier Golfplätze und natürlich Wassersport wie Surfen, Windsurfen, Kiten, Segeln und Stand-Up-Paddling bieten Bewegungshungrigen ausreichend Möglichkeiten. Aber wer will das schon, wenn man sich bei salzigem Westwind den lukullischen Genüssen aus Meer und Sand hingeben kann?!


Text: Markus Höller

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