Fiesta Mexicana im Glas

¡SALUD! Vor dem Essen, nach dem Essen, daheim oder im Lokal: Tequila ist fester Bestandteil der mexikanischen Kultur. | ©iStock by Getty Images

Mit Tequila verbindet man oft schlimme Trinkrituale und schlechte bis gar keine Erinnerungen. Dabei haben die in den 80er Jahren aufgekommenen Marken und der Konsum von damals nichts mit dem Agavenbrand zu tun, der er wirklich ist.

Und ich werfe sicher nicht den ersten Stein. Salz, Zitrone, ruckzuck – wahlweise auch Zimt und Orange. Oder Tequila Slammer, eine ebenso unterhaltsame wie verheerende Kombination aus Tequila und Sprite, durch die ich recht lückenhafte Erinnerungen an die Maturareise habe. Alles Unsitten, die aus welchen Gründen auch immer in Mitteleuropa zur Trink(un)kultur von jungen Menschen zählen. Aber warum? Tequila ist nämlich als spezielle Unterart der recht allgemeinen Gruppe der Mezcal-Brände eine äußerst interessante Spirituose. Diese kann aufgrund der Vielfalt an Rohstoffen, Feinheiten in der Herstellung und Reifung eine ähnlich große Bandbreite in Geschmack und Aroma entfalten wie die imagemäßig deutlich besser gestellten Flaschengeister Whisky, Rum oder Weinbrand. Kurz gesagt: eine Geschichte voller Missverständnisse.

Am Anfang war die Agave
Der Grundstoff für die Herstellung von Tequila ist das Fruchtfleisch der Agave. Da diese Blattsukkulenten nur im tropischen bis subtropischen Klima gedeihen, vorzugsweise eben in Mittelamerika, gibt es auch nur in diesen Breiten eine entsprechende Tradition und Industrie. Wie schon erwähnt, kann man im Prinzip aus jeder Agavenart – und davon gibt es dutzende – Schnaps brennen. Dafür werden die fleischigen Blätter sehr lange unter Dampf gegart, bis sich der Zucker in der Pflanze umwandelt. Der dann gewonnene Agavensirup (auch ein beliebtes Süßungsmittel) wird durch Hefe fermentiert, die entstandene Maische danach mindestens zweifach destilliert. Der kleine, aber feine Unterschied von Mezcal (meist sehr kräftig und oft rauchig) zu den feinen Aromen von Tequila ist das Ausgangsprodukt. Denn für echten Tequila darf ausschließlich die Blaue Agave („Agave Azul“, auch „Weber-Agave“ oder korrekt „Agave tequilana“ genannt) verwendet werden. Diese ist nur in den mexikanischen Bundesstaaten Sonora, Sinaloa, Jalisco, Michoacán und Oaxaca heimisch. Und dort liegt auch ein Ort namens Villa de Santiago de Tequila. Soweit der kleine Ausflug zur Etymologie.

Farbe, Aromen und mehr
Zurück zum frisch gebrannten Tequila. Der wird oft direkt abgefüllt und als „Silver“ oder „Blanco“ verkauft. Das Aroma ist frisch, klar und spritzig. Weißer Tequila eignet sich daher auch perfekt für sommerliche Cocktail-Klassiker wie Margarita, Paloma oder Tequila Sunrise. Tequila „Reposado“ durfte mindestens zwei Monate bis höchstens ein Jahr in Eichenfässern reifen und weist eine goldene Farbe auf; das Prädikat „Añejo“ darf er führen, wenn er zwischen einem und drei Jahren im Holz lagerte. Eine noch seltene, weil neue Qualitätsabstufung ist der „Extra Añejo“: Hier ruhte der Tequila mehr als drei Jahre. Die ebenfalls häufig anzutreffende Bezeichnung „Gold“ oder „Oro“ ist weniger aussagekräftig, sie bedeutet lediglich, dass frischer Tequila mit gealtertem vermischt wurde. An dieser Stelle sei nochmals darauf hingewiesen, dass selbst der einfachste Tequila nicht auf die anfangs erwähnte, geradezu respektlose Art und Weise genossen werden sollte. Speziell nicht, wenn man in Mexiko oder dem Südwesten der USA zu Gast ist. Denn dort sieht man so etwas ebenso mit Ekel und Argwohn wie bei uns Schnitzel mit Tunke. Für den fortgeschrittenen Tequila-Genuss empfiehlt sich ohnehin das Weglassen von Mixern und nur das pure Produkt im Glas, idealerweise in der Form eines Sherry-Glases.

Qualität statt Quantität
Wiewohl billiger Tequila vielerorts immer noch ein krudes Werkzeug ist, um sich ordentlich einen in die Rüstung zu römern, orientiert sich der Markt, nicht zuletzt auch dank der rasant gewachsenen Szene an hochwertigen Cocktailbars, deutlich mehr an Qualitätsprodukten. Top-Marken wie Don Julio, Patrón oder Cabo Wabo erzeugen hochwertige Tequilas, die auch in nobelsten Bars und Restaurants für wohlfeiles Geld kredenzt werden. Apropos wohlfeiles Geld: Tequila ist allein schon wegen des riesigen Kernmarkts Mexiko und Kalifornien ein milliardenschweres Geschäft. Besonders clever hat sich hier der legendäre „Red Rocker“ Sammy Hagar, seines Zeichens Gitarrist und Sänger bei Montrose und Van Halen, angestellt. Nachdem er sich in der mexikanischen Feriengemeinde Cabo San Lucas mit den Rockstar-Moneten Ende der 80er einen Club finanziert hat, begann er dort auch einen eigens für ihn kreierten Tequila auszuschenken. Einen guten sogar, denn die Nachfrage stieg rasant und schon bald war der gute Tropfen namens „Cabo Wabo“ in den USA sehr gefragt. Dass Van Halen auch einen gleichnamigen Song veröffentlichten, hat wahrscheinlich zudem nicht geschadet. Im Jahr 2007 schließlich konnte er einen 80 %-Anteil der Marke an die Campari Group verkaufen, für kolportierte 80 Millionen Dollar. Daher immer dran denken, wenn das nächste Mal jemand Tequila Shots mit Zitrone reicht: Lieber Qualität statt Quantität – ehren wir die mexikanischen Agavenfarmer und trinken wir genussvoll einen schönen Añejo.

¡Viva Mexico!

TOMMY’S MARGARITA

– 60 ml Tequila Topanito Blanco  
– 20 ml St. Germain Elderflower Liqueur 
– A30 ml frisch gepresster Limettensaft

Gründlich mit Eis shaken und im Tumb­ler auf Eisball ohne Salz anrichten.

Diese Variation des Margarita wurde uns von Barlegende Erich Wassicek zur Verfügung gestellt.
www.halbestadt.at
SORTENREIN. Im Gegensatz zu Mezcal darf für Tequila ausschließlich eine einzige Agavensorte verarbeitet werden, sie trägt den malerischen Namen „Agave Azul“. | ©Erol Ahmed, Unsplash

Text: Markus Höller

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